Einbezug kindlicher Wünsche bei Entscheidungen zu Umgangs- und Betreuungsregelungen
aktualisiert am 31.01.24 von Dr. Ulrike Lux und Dr. Janin Zimmermann Entwicklungs- und Familienpsychologie, Ludwig-Maximilians-Universität München
Was erwartet Sie auf dieser Seite?
Hier finden Sie Antworten auf die folgenden Fragen:
- Warum sollte man die Kinder bei der Wahl der Betreuungs- oder Umgangsregelung einbeziehen?
- Wie kann man Kinder bei wichtigen Entscheidungen einbeziehen?
- Häufige Fragen zum Einbezug der Wünsche der Kinder
- Was ist, wenn die Kinder beeinflusst werden?
Warum sollte man die Kinder bei der Wahl der Betreuungs- oder Umgangsregelung einbeziehen?
Wollen Kinder einbezogen werden?
Studien, bei denen Kinder und junge Erwachsene zu ihren Erfahrungen mit der elterlichen Trennung befragt wurden, kommen übereinstimmend zu diesem Ergebnis: Kinder wollen bei wichtigen Entscheidungen, die ihr Leben betreffen, einbezogen werden. Sie wollen bei der Entscheidungsfindung eine Stimme bekommen und ihre Wünsche und Bedürfnisse äußern. Andernfalls fühlen sie sich übergangen.
Kinder erwarten dabei aber in der Regel nicht, dass alles genau so umgesetzt wird, wie sie es sich vorstellen. Ihnen ist klar und sie wünschen es sich sogar, dass ihre Eltern diejenigen sein sollen, die am Ende entscheiden und auch die Verantwortung tragen. Diese Erwartungen stimmen mit ihren Erfahrungen bei ganz alltäglichen Entscheidungen überein wie etwa bei der Frage, was am Wochenende unternommen wird. Auch hier treffen die Eltern die Entscheidung, aber Kinder wollen natürlich mitreden und ihre Vorstellungen einbringen.
Welche Vorteile hat es, Kinder einzubeziehen?
Werden Kinder in wichtige Entscheidungsprozesse einbezogen, fühlen sie sich von ihren Eltern wertgeschätzt und mit ihren Gefühlen, Wünschen und Bedürfnissen wahrgenommen. Dies stärkt nicht nur die Eltern-Kind-Beziehung, sondern auch das Selbstbewusstsein und das Gefühl von Selbstwirksamkeit der Kinder – also die Überzeugung, schwierige Situationen meistern zu können. Den Eltern ermöglicht der Einbezug ihrer Kinder, Lösungen zu finden, die an den Bedürfnissen der Kinder ausgerichtet sind und die sie besser akzeptieren können.
Wie kann man Kinder bei wichtigen Entscheidungen einbeziehen?
Der rote Faden
Der rote Faden
Die Frage, wie man Kinder am besten bei der Wahl einer Betreuungs- oder Umgangsregelung einbezieht, ist nicht einfach zu beantworten. Hier spielen viele Faktoren eine Rolle, wie das Alter und Temperament der Kinder, aber auch wie einig die Eltern sich in ihren Vorstellungen zu möglichen Regelungen sind. Die folgenden Schritte bieten Ihnen eine Orientierungshilfe.
Sie hätten den Ablauf gerne als Dokument zum Weitergeben oder in Ruhe Selberlesen? Hier finden Sie den Leitfaden für das Gespräch als PDF.
1
Gute Vorbereitung
Bevor Sie mit Ihren Kindern über eine mögliche Betreuungsregelung sprechen, sollten Sie sich als Eltern schon einmal dazu abgestimmt haben, welche Regelungen für Sie beide grundsätzlich vorstellbar und umsetzbar wären. Neben Ihrer eigenen Lebenssituation sollten bei diesen Überlegungen natürlich auch die Bedürfnisse Ihrer Kinder berücksichtigt werden, z. B. im Hinblick auf Kontakt zu Freunden, Freizeitaktivitäten, Kindergarten und Schule. Hier finden Sie weitere Informationen zu wichtigen Kriterien für die Auswahl einer Betreuungsregelung .
Überlegen Sie sich am besten auch vorab, ob Sie mit allen Kindern gemeinsam sprechen wollen oder einzeln. Beides kann sinnvoll sein. Bei jüngeren Geschwistern sollte man allerdings berücksichtigen, dass diese oft dazu neigen, sich bei schwierigen Fragen an ihren älteren Geschwistern zu orientieren, statt ihre eigenen Wünsche zu äußern.
Gespräch mit Kind
2
Der Einstieg ins Gespräch
Allgemein gilt, dass Kinder insbesondere in der Zeit nach der Trennung Orientierung und Sicherheit von Ihnen benötigen, weil sich so vieles verändert ( Kinder in der Trennungssituation ). Sagen Sie ihnen deshalb am Anfang des Gesprächs, worum es geht, also beispielsweise um die Betreuungsregelung nach der Trennung. Ein erstes Gespräch über dieses Thema kann beispielsweise schon erfolgen, wenn Sie Ihren Kindern erstmalig von der Trennung erzählen ( Aufklärung über die Trennung ). Dabei könnten Sie Ihren Kindern erst einmal erklären, welche Möglichkeiten es gibt, etwa mithilfe der Videos auf dieser Webseite zu den verschiedenen Betreuungsmodellen ( Erklärvideos Betreuungsmodelle ).
3
Die Wünsche Ihrer Kinder erfragen
Anschließend können Sie mit Ihren Kindern besprechen, was diese und was Sie sich gut vorstellen könnten, die Kinder fragen, was sie von Ihren Ideen halten, was sie sich möglicherweise anders wünschen und was ihnen besonders wichtig ist. Es ist ratsam, Gespräche zur Betreuung nicht auf die Frage nach einer allgemeinen Regelung zu beschränken, sondern mit den Kindern konkret darüber zu sprechen, was ihnen bei der Ausgestaltung der Betreuungsregelung besonders wichtig ist wie etwa, ob der Wechsel am Freitag direkt nach der Schule oder lieber erst nachmittags stattfinden soll, wie das neue Kinderzimmer eingerichtet wird oder welche Spielsachen immer mitgenommen werden sollen.
Ermutigen Sie Ihre Kinder, ihre Meinungen und Wünsche frei zu äußern, auch wenn diese sich von Ihren eigenen Vorstellungen unterscheiden. Versichern Sie ihnen, dass die Verantwortung für die Entscheidung nicht auf ihren Schultern liegt, sondern bei den Erwachsenen. Sprechen Sie aber auch darüber, dass Sie nicht versprechen können, alle Wünsche der Kinder genau so umzusetzen.
Wünsche erfragen
Vater und Kind spielen
4
Abschluss des Gesprächs
Informieren Sie sie zuletzt darüber, wie es nach dem Gespräch weitergeht, also beispielsweise, dass Sie sich noch einmal Gedanken machen und mit dem anderen Elternteil die Entscheidung gemeinsam treffen werden. Ein Gespräch über wichtige Entscheidungen ist für alle Beteiligten anstrengend. Beenden Sie das Gespräch am besten, indem Sie Ihren Kindern eine schöne gemeinsame Beschäftigung vorschlagen, bei der Sie alle zusammen Spaß haben und den Kopf wieder frei bekommen, vielleicht ein Spiel spielen oder auf den Spielplatz gehen.
Hörbeispiel: Ein Gespräch über das Betreuungsmodell
Hier können Sie sich ein Beispiel anhören, wie ein Gespräch über die Wahl des Betreuungsmodells ablaufen kann.
Inhalte Audio in Textform
Ein Gespräch über das Betreuungsmodell
Erzähler: Stefanie Müller und Enrico Rossi haben sich getrennt und möchten nun zusammen mit ihrem Sohn Toni über die künftige Betreuungsregelung sprechen. Sie haben beschlossen, das Gespräch mit Toni heute bei Stefanie in der Wohnung zu führen, nachdem Enrico Toni vom Fußball abgeholt hat.
Stefanie Müller: Hallo ihr beiden. Wie war das Fußballtraining?
Toni Rossi: Total cool. Ich habe beim Elfmeterschießen viermal getroffen!! Stimmt‘s, Papa?
Enrico Rossi: Das stimmt. Da hast du‘s dem Torwart aber gezeigt (lacht).
Stefanie Müller: Das ist ja super! Du Toni, dein Papa ist heute mit hergekommen, weil wir gerne mal mit Dir darüber sprechen wollen, wie wir regeln können, an welchen Tagen du bei Papa oder bei mir bist.
Enrico Rossi: Ja genau, Mama und ich haben schon ein bisschen darüber gesprochen, wie wir das mit den Wohnungen und unseren Jobs regeln könnten, damit wir beide trotzdem so viel Zeit wie möglich mit dir verbringen können.
Stefanie Müller: Uns ist vor allem aber auch wichtig, dass Du dich mit der Regelung wohlfühlst. Wir wollten dich deshalb fragen, was su dir wünscht und was sir bei der Regelung besonders wichtig ist. Magst du uns mal erzählen, was du so denkst?
Toni Rossi: Mhhh... ich weiß gar nicht, ..., kann ich euch nicht einfach gleich oft sehen?
Enrico Rossi: Du weißt ja schon, dass ich jetzt eine Wohnung in der Nähe von Mama gemietet habe. Da hättest du auch dein eigenes Kinderzimmer, was wir gemeinsam für dich einrichten könnten. Was denkst Du darüber?
Toni Rossi (kritisch): Soll ich da dann mit meinen ganzen Spielsachen umziehen und würde dann bei dir wohnen? Wollt ihr, dass ich mich jetzt entscheiden muss, bei wem ich lieber wohnen will?
Enrico Rossi: Wir möchten dir auf keinen Fall das Gefühl geben, dass du dich entscheiden musst. Ich meinte nicht, dass du jetzt nur noch bei mir wohnen sollst, sondern abwechselnd bei Mama und bei mir. Und wenn du bei mir bist, wäre es doch schön, wenn wir zusammen ein Zimmer für dich einrichten. Natürlich behältst du auch dein Kinderzimmer bei Mama.
Toni Rossi: Mhm, ja, okay. Aber meine Freunde wohnen ja alle hier bei Mama. Außerdem dauert die Busfahrt zu dir zieeeemlich lang. Und es ist irgendwie doof, wenn ich immer mein ganzes Zeug mitnehmen muss. Oder wir kaufen einfach alles nochmal!
Stefanie Müller: Verstehe. Aber Toni, Papa und ich können es uns nicht leisten, deine ganzen Sachen nochmal zu kaufen. Vielleicht kannst du ja mal schauen, welche Sachen du am liebsten magst, dann kannst Du die ja immer mitnehmen. Was meinst du?
Enrico Rossi: Deine Freunde sollst du natürlich trotzdem weiterhin sehen, wenn du bei mir bist. Aber lass uns mal überlegen, an welchen Tagen du immer bei mir sein willst. Zur Schule könnte ich dich immer auf meinem Weg in die Arbeit mitnehmen. Wie fändest du das?
Toni Rossi: Mhh, ganz gut, glaub ich...
Stefanie Müller: Da Papa und ich viel arbeiten, dich aber so oft wie möglich sehen wollen, könnten wir uns einfach wöchentlich abwechseln. Das sind aber alles erstmal nur Vorschläge, du musst nicht gleich deine Meinung dazu sagen.
Enrico Rossi: Ich hab eine Idee: Wir könnten es doch so machen, dass Mama oder ich Dich immer freitags nach der Schule abholen, also dass Freitag der Wechseltag von Mama zu mir oder von mir zu Mama ist. Wie klingt das für Dich, Toni?
Toni Rossi: Ja, aber ich habe ja Freitagnachmittag immer noch Fußballtraining nach der Schule, da will ich eigentlich schon weiter hingehen.
Stefanie Müller: Stimmt, gut, dass du es sagst. Mh, wenn du magst und Papa auch einverstanden ist, könnten wir dich ja abwechselnd dann direkt vom Training abholen.
Enrico Rossi. Das klingt gut. Dann könnten Mama und ich dir sogar noch ein bisschen beim Spielen zuschauen, so wie heute.
Toni Rossi: Ja! Das wäre toll!
Stefanie Müller: Super. Wie wäre es denn, wenn wir das mit den wöchentlichen Wechseln jetzt mal für die nächsten drei Monate ausprobieren und Du einfach mal schaust, wie es dir gefällt?
Toni Rossi: Ja, das klingt gut.
Enrico Rossi: Das freut mich! Ich denke auch, dass das so gerade am besten passt. Du kannst uns natürlich immer sagen, wenn du die Wechsel nicht mehr so gut findest. Dann setzen wir uns einfach wieder zusammen und sprechen darüber.
Toni Rossi: Mhm, ok.
Enrico Rossi: Gut. Wollen wir jetzt nochmal eine Runde Elfmeter schießen?
Toni Rossi: Au ja. Ich schieß als Erster!
Häufige Fragen zum Einbezug der Wünsche der Kinder
Häufige Fragen
Im Folgenden finden Sie Antworten zu Fragen, die sich Eltern häufig stellen, wenn Sie die Wünsche ihrer Kinder bei der Umgangs- oder Betreuungsregelung berücksichtigen wollen.
Was ist beim Alter der Kinder zu beachten ?
Wie alt die Kinder sind, ist eine wichtige Frage, die man beim Einbezug der Kinder berücksichtigen sollte. Kinder müssen tatsächlich schon einige Fähigkeiten haben, um ihre Wünsche bei wichtigen Fragen einbringen zu können. Sie brauchen beispielsweise grundlegende sprachliche Fähigkeiten, sie müssen schon in die Zukunft denken und Pläne entwickeln und sich in die Perspektive anderer hineinversetzen können. Entwicklungspsychologische Untersuchungen lassen allerdings darauf schließen, dass sich viele der notwendigen Fähigkeiten schon sehr früh entwickeln und Kinder sich deshalb bereits im Alter von drei bis fünf Jahren zumindest zu Alltagsfragen gut äußern können. Andere Fähigkeiten, wie etwa widersprüchliche Gefühle einzuordnen, oder unterschiedliche Erfahrungen gegeneinander abzuwägen und Entscheidungen zu begründen, entwickeln sich hingegen erst allmählich ab dem Ende der Grundschulzeit. Zudem unterscheiden sich Kinder natürlich auch in ihrem Entwicklungstempo.
Mutter und Kind im Gespräch
Insgesamt ist es also möglich, Kinder schon sehr früh bei Entscheidungen einzubeziehen, wobei man auf eine einfache, kindgerechte Sprache achten sollte und nicht die Erwartung haben darf, dass die Kinder eine vollständige Lösung für alle Fragen liefern. Je nach Alter kann sich der Einbezug unter Umständen darauf beschränken, welche Spielsachen das Kind beim Umgang dabeihaben will oder ob es vor dem Einschlafen mit dem anderen Elternteil telefonieren möchte, während bei älteren Kindern und Jugendlichen umfassende Gespräche über die Ausgestaltung von Betreuungszeiten oder Umzugspläne möglich sind.
Was ist, wenn mein Kind sich nicht äußern will?
In Studien hat sich gezeigt, dass die Mehrheit der Kinder nach ihrer Meinung gefragt werden will. Es gibt aber natürlich auch Kinder, die sich heraushalten wollen und möchten, dass ihre Eltern für sie entscheiden. Es kann sein, dass Kinder die Frage, was sie gerne möchten, gerade einfach nicht beantworten können oder Sorge haben, einen Elternteil zu verletzen oder den Streit zwischen den Eltern zu verstärken.
Als Eltern können Sie versuchen, auf möglicherweise vorhandene Ängste Ihres Kindes einzugehen, indem Sie ihm versichern, dass es keine richtigen und falschen Antworten gibt, es nichts entscheiden muss und bestehende Regelungen auch wieder verändert werden können. Wenn Ihr Kind sich trotzdem nicht äußern möchte, sollten Sie dies akzeptieren. Sie können Ihrem Kind zum Abschluss sagen, dass es jederzeit zu Ihnen kommen kann, wenn es doch darüber sprechen und seine Wünsche einbringen möchte. Wenn Sie die Entscheidung dann getroffen haben, kann es nach einer Zeit zudem hilfreich sein, Ihr Kind zu fragen, wie es ihm mit der Regelung geht und ob es sich etwas anders wünscht.
Kind, das sich nicht äußern will
Was ist, wenn die Wünsche des Kindes einfach nicht umsetzbar sind?
Wenn die Wünsche der Kinder stark von dem abweichen, was Sie und der andere Elternteil für richtig halten oder aufgrund Ihrer persönlichen Situation umsetzen können, ist es besonders wichtig, dass Sie den Kindern Ihre Entscheidung erklären und als Eltern gemeinsam an einem Strang ziehen. Hören Sie bei Ihren Kindern nach, wie es ihnen damit geht. Zeigen Sie trotzdem Verständnis für die Wünsche Ihrer Kinder. Für sie ist es wichtig, zu merken, dass Sie ihre Wünsche und Bedürfnisse ernst nehmen und sich damit auseinandergesetzt haben, auch wenn sie sich nicht umsetzen lassen.
Mutter und Kind im Gespräch
Außerdem ist es hilfreich, wenn Sie sich erkundigen, was Sie tun können, damit Ihre Kinder die Entscheidung besser akzeptieren können, und was ihnen bei einer Regelung besonders wichtig ist. Möglicherweise können Sie so die Regelung in einigen Punkten anpassen, sodass sie den Vorstellungen Ihrer Kinder mehr entspricht. Sicherlich finden Sie Möglichkeiten, wie Ihre Kinder sich bei der konkreten Umsetzung einer Regelung mit ihren Vorstellungen einbringen können, auch wenn die grundsätzliche Regelung von Ihnen als Eltern vorgegeben wird.
Was ist, wenn sich die Wünsche unserer Kinder stark unterscheiden?
Wenn sich die Vorstellungen Ihrer Kinder deutlich voneinander unterscheiden, kann es sehr herausfordernd sein, eine passende Lösung zu finden. In den meisten Fällen wünschen sich Kinder trotz unterschiedlicher Vorstellungen dennoch eine gemeinsame Regelung mit ihren Geschwistern und können es gut akzeptieren, solange eine faire Lösung für alle gefunden werden kann. Die meisten Studien belegen, dass es wichtig ist, Geschwister möglichst nicht voneinander zu trennen, um die Geschwisterbeziehung nicht zu belasten. Außerdem stützen sich Geschwister häufig gegenseitig in der Trennungssituation und verarbeiten die Trennung der Eltern leichter gemeinsam.
Kinder in unterschiedlichem Alter
Manchmal kann es jedoch vorkommen, dass sich die jeweiligen Vorstellungen und Bedürfnisse der Kinder so stark voneinander unterscheiden, dass einfach keine gute Lösung gefunden werden kann, die für alle Geschwister passt. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die Kinder vom Alter sehr weit auseinanderliegen. Während bei Grundschulkindern noch die gemeinsame Zeit mit den Eltern im Mittelpunkt steht, ist für Jugendliche vor allem von Bedeutung, wie gut sich eine Betreuungsregelung mit der Schule, ihren Hobbys und dem Treffen von Freundinnen und Freunden vereinbaren lässt. Zudem kann es natürlich auch Unterschiede geben, welchem Elternteil sich die Geschwister näher fühlen oder wie gut sie sich mit der neuen Lebensgefährtin oder dem neuen Lebensgefährten eines Elternteils verstehen. Manchmal kann es dann sinnvoll sein, für Kinder unterschiedliche Regelungen zu finden, um ihren besonderen Bedürfnissen ausreichend gerecht zu werden. Viele Kinder genießen es, einen Elternteil zeitweise auch mal ganz für sich allein zu haben. Wenn sie sehr unterschiedliche Bedürfnisse haben, umso mehr. Es sollte aber dennoch darauf geachtet werden, dass die Geschwister weiterhin möglichst viel Zeit gemeinsam verbringen.
Beispiel für eine Regelung
Die sechsjährige Aylin wechselt wöchentlich, weil sie mit beiden Elternteilen möglichst viel Zeit verbringen will. Der zwölfjährige Can wohnt überwiegend beim Vater und ist alle vierzehn Tage am Wochenende von Freitag bis Sonntag bei seiner Mutter. Ihm war es vor allem wichtig, jede Woche seine Freunde spontan treffen zu können, welche beim Vater in der Nachbarschaft wohnen. Außerdem war es ihm lieber, seine Schulsachen nur bei einem Elternteil zu haben und nicht immer an alles denken zu müssen, was er für die nächste Woche braucht. Jedes Kind hat so eine Regelung, die zu seinen Bedürfnissen passt. Trotzdem sind Can und Aylin an zehn von 14 Tagen gemeinsam bei einem Elternteil.
Wie sollen sich meine Kinder für etwas entscheiden, das sie nicht kennen?
Eltern bei der Planung
Kinder können sich meist nur schwer vorstellen, wie eine bestimmte Regelung tatsächlich im Alltag aussieht und wie es ihnen damit gehen wird. Beispielsweise hält ein Kind eine geteilte Betreuung vielleicht erst einmal für eine faire Lösung, stellt dann aber fest, dass es bei wöchentlichen Wechseln einen Elternteil sehr vermisst, oder es auf einmal schwer ist, Kontakt zu Freunden und Freundinnen zu halten. Wenn die familiäre Situation dies zulässt, kann es hilfreich sein, erst einmal eine Probezeit für vielleicht drei Monate zu vereinbaren, in der die Familie erste Erfahrungen mit einem Betreuungsmodell sammeln kann. Anschließend kann noch einmal besprochen werden, wie es den Kindern mit dem Modell geht, ob es etwas gibt, was sie sich anders wünschen, und wo vielleicht Anpassungen sinnvoll sind.
Wie kann man vermeiden, dass sich Kinder unter Druck gesetzt fühlen?
Beim Einbeziehen der Kinder müssen Eltern aufpassen, dass ihre Kinder nicht das Gefühl bekommen, dass sie sich zwischen ihren Eltern entscheiden müssen oder sich unter Druck gesetzt fühlen, den Wünschen der Eltern gerecht werden zu müssen. Ziel sollte sein, dass die Kinder ihre Bedürfnisse offen äußern können.
Was vermieden werden sollte
- Kinder sollten keinesfalls in die Rolle eines Schiedsrichters geraten bei Fragen, die die Eltern miteinander nicht klären können.
- Diskutieren Sie keine strittigen Fragen oder Vorschläge, die offensichtlich der eine oder der andere Elternteil bevorzugt, mit Ihren Kindern und erwarten Sie nicht, dass die Kinder Ihnen die Entscheidung abnehmen. Dies überfordert Kinder und setzt sie unter Druck.
- Vermeiden Sie es, Ihre Kinder in die von Ihnen gewünschte Richtung zu beeinflussen. Dies kann Kinder sehr verunsichern und sich negativ auf ihr Vertrauensverhältnis zu Ihnen auswirken. Hier finden Sie mehr Informationen zu dem Thema Bindungstoleranz .
Was ist, wenn sich die Wünsche der Kinder mit der Zeit ändern?
Befragungen von Trennungskindern haben ergeben, dass Kinder sich meist flexible Regelungen wünschen, die sich an ihre Bedürfnisse anpassen. Diese Bedürfnisse können sich aber mit der Zeit ändern, sodass Regelungen regelmäßig überprüft und bei Bedarf verändert werden sollten. Manche Kinder machen es ihren Eltern leicht, indem sie ihre Wünsche offen äußern. Bei anderen Kindern werden Anpassungswünsche vielleicht eher über Umwege deutlich, indem sie beispielsweise plötzlich erklären, nicht zum anderen Elternteil zu wollen oder schlecht gelaunt zurückkehren.
In solchen Situationen ist es ratsam, nicht voreilig zu handeln, sondern genau hinzuschauen, was sich hinter solchen Äußerungen und Gefühlen des Kindes verbirgt. Sprechen Sie mit Ihren Kindern über die Gründe Emotionscoachings ) und suchen Sie auch das Gespräch mit dem anderen Elternteil. Manchmal wollen Kinder nur einer unangenehmen Situation aus dem Weg gehen, wie etwa einem Verbot bei einem Elternteil, die aber zum normalen Alltag dazu gehört. Manchmal ist die aktuelle Regelung für die Kinder tatsächlich nicht mehr geeignet, wenn sie beispielsweise aufgrund der bestehenden Regelung einem Hobby nicht nachgehen können, das sie gerne machen würden, sodass sie angepasst werden muss.
(vielleicht mit der Technik desViele Kinder haben Hemmungen, ihren Eltern zu sagen, wenn sie mit einem bestehenden Modell, das vielleicht auch eine Weile gut gepasst hat, zunehmend unglücklich sind. Sie wollen auch keinen Elternteil verletzen. Um ein Modell gut an den Bedürfnissen ihrer Kinder auszurichten, ist es daher wichtig, in regelmäßigen Abständen die Initiative zu ergreifen und gemeinsam mit den Kindern und dem anderen Elternteil zu prüfen, ob das bestehende Modell weiterhin angemessen ist. Bleiben Sie also offen für Veränderungen und suchen Sie nach gemeinsamen Lösungen.
Was ist, wenn die Kinder beeinflusst werden?
Vor allem, wenn Eltern nach der Trennung sehr unterschiedliche Vorstellungen über die Betreuungszeiten haben oder den Umgang in einem familiengerichtlichen Verfahren klären, in dem Kinder auch durch das Gericht zu ihren Wünschen und Vorstellungen befragt werden ( Kindeswohl und Kindeswille ), haben viele Eltern die Sorge, dass ihre Kinder vom anderen Elternteil beeinflusst werden. Sie befürchten, dass die Kinder nur das wiedergeben, was der andere Elternteil ihnen vorgegeben hat. In solchen Situationen stellt sich die Frage, wie Eltern mit den geäußerten Wünschen ihrer Kinder umgehen können. Eine einfache Antwort gibt es hierzu leider nicht, aber folgende Punkte können Ihnen Orientierung bieten:
1. Nehmen Sie Ihr Kind ernst
Mutter spricht mit Tochter
Für Kinder ist es sehr verletzend, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Eltern ihnen nicht glauben und ihre Äußerungen und Wünsche als bloße Beeinflussungen durch den anderen Elternteil abwerten. Kinder wünschen sich von ihren Eltern, dass sie ihre Äußerungen respektieren, ihnen Verständnis entgegenbringen und sich mit ihren Wünschen auseinandersetzen. Dies ist auch dann wichtig, wenn Sie den Eindruck haben, dass sich Ihr Kind bei seinen Äußerungen stark am einen oder anderen Elternteil orientiert.
2. Fragen Sie sich, welche anderen Gründe es für die Äußerungen Ihres Kindes geben könnte
Nach Gründen suchen
Möglicherweise hat Ihr Kind auch gute Gründe, warum es mehr Zeit mit dem einen oder anderen oder gar gleich viel Zeit mit beiden Elternteilen verbringen möchte. Wenn Ihr Kind weniger Zeit bei Ihnen verbringen möchte, als Sie sich dies eigentlich wünschen, kann es hilfreich sein, wenn Sie sich die Frage stellen, ob Sie vielleicht an der Gestaltung der Zeit bei Ihnen etwas ändern können. Beziehen Sie Ihr Kind bei der Gestaltung der Zeit bei Ihnen aktiv ein und fragen Sie es nach seinen Ideen und Wünschen!
Sie suchen Tipps zur Gestaltung von Umgangskontakten?
3. Vermeiden Sie es, bei Hinweisen auf Beeinflussung in die Gegenrichtung zu beeinflussen
Nehmen Sie Hinweise auf Beeinflussungen bei Ihrem Kind wahr, sollten Sie keinesfalls versuchen, Ihr Kind im Gegenzug von Ihrer Meinung zu überzeugen oder ebenfalls negativ über den anderen Elternteil sprechen. Kinder fühlen sich sonst schnell im Konflikt zwischen ihren Eltern gefangen. Langfristig kann darunter die Vertrauensbeziehung zu beiden Elternteilen leiden. Zudem kann es sich negativ auf die Entwicklung und das Wohlbefinden der Kinder auswirken, wenn sie in Loyalitätskonflikte zwischen ihren Eltern geraten.
Eltern im Gespräch mit Kind
Sprechen Sie Ihre Sorgen möglichst beim anderen Elternteil an und suchen Sie sich fachliche Beratung dazu, wie Sie Ihr Kind vor dem Einbezug in die Elternkonflikte schützen können. Verzichten Sie dabei möglichst auf Vorwürfe gegenüber dem anderen Elternteil, dass dieser Ihr Kind absichtlich manipulieren würde. Oft passieren Beeinflussungen tatsächlich ganz unbewusst, vor allem wenn die Situation zwischen den Eltern sehr strittig ist, etwa durch unbedachte Äußerungen gegenüber dem Kind oder unbewusste Verhaltensweisen bei Übergaben.
Sie wünschen sich weitere Informationen zum Beziehungserhalt zu beiden Eltern?
4. Versetzen Sie sich in die Lage Ihres Kindes
Haben Sie den Eindruck, dass Ihr Kind tatsächlich nur das wiedergibt, was der andere Elternteil denkt oder möchte? Dann hilft es, sich in die Situation Ihres Kindes hineinzuversetzen, um zu verstehen, warum es dies tut. Die Trennung der Eltern ist für Kinder stark verunsichernd und es ist ganz normal, dass sie in dieser Zeit Orientierung bei ihren Bezugspersonen suchen. Nehmen sie dabei sehr negative Einstellungen und Konflikte zwischen den Eltern wahr, zeigen manche Kinder scheinbar angepasste Verhaltensweisen, um einen Elternteil nicht zu verletzen. Sie sagen beispielsweise, dass sie nicht zum Umgang wollen, begrüßen den anderen Elternteil aber freudig, sobald der andere Elternteil aus Sichtweite ist.
In die Lage des Kindes versetzen
Manche Kinder übernehmen mit der Zeit aber auch die negativen Einstellungen eines Elternteils. Dies sind Anpassungsversuche der Kinder an die belastende Situation. Sie haben beispielsweise den Zweck, die Beziehung zu wenigstens einem Elternteil nach der Trennung zu erhalten, Orientierung in einer für sie unverständlichen Situation zu erfahren oder sich vor dem Miterleben von Konflikten der Eltern zu schützen. Kinder sollten in ihren Bemühungen, sich an die schwierige Situation anzupassen, möglichst nicht übergangen werden. Vielmehr ist es ratsam, die Familiensituation für die Kinder so zu gestalten, dass solche Strategien nicht notwendig sind.
5. Bemühen Sie sich um eine gute Zusammenarbeit auf Elternebene
Kindern, die viele Konflikte zwischen ihren Eltern wahrnehmen, fällt es oft schwer, eine gute Beziehung zu beiden Eltern nach der Trennung aufrecht zu erhalten. Um die Entwicklung ungünstiger Anpassungsstrategien der Kinder zu vermeiden, ist es deshalb wichtig, die Kinder vor dem Miterleben von Konflikten und negativen Äußerungen über den anderen Elternteil zu schützen. Es gibt Kindern zudem Orientierung, wenn sie Ihre Eltern weiter als Eltern-Team wahrnehmen. Außerdem sind Kinder darauf angewiesen, zu spüren und zu hören, dass sie von beiden Eltern die Erlaubnis haben, eine gute Beziehung zum jeweils anderen Elternteil zu haben. Hier finden Sie weitergehende Informationen, wie Sie Konflikte mit den anderen Elternteil lösen , die Zusammenarbeit mit den anderen Elternteil verbessern und die Beziehung zum anderen Elternteil unterstützen können.
Eltern-Tipp
Vorgehen beim Eindruck, dass das Kind beeinflusst ist
Sollten Sie also den Eindruck haben, dass Ihr Kind vom anderen Elternteil beeinflusst ist, sollten Sie zunächst prüfen, ob es auch andere Erklärungen für die Äußerungen oder Verhaltensweisen Ihres Kindes geben könnte. Es ist zudem ganz normal, dass Kinder sich in verunsichernden Situationen – wie der Trennung ihrer Eltern – an ihren Eltern orientieren, um die Situation zu verstehen und zu bewerten.
Orientiert sich ein Kind sehr stark an den negativen Einstellungen eines Elternteils gegenüber dem anderen, kann dies als Anpassungsversuch verstanden werden. Nehmen Sie die Äußerungen Ihres Kindes trotzdem ernst. Sehen Sie sie aber auch als Hinweis, dass die aktuelle familiäre Situation für Ihr Kind möglicherweise belastend ist. Versuchen Sie gemeinsam mit dem anderen Elternteil und möglicherweise mit fachlicher Unterstützung Wege zu finden, wie Sie Ihr Kind vor dem Einbezug in elterlichen Konflikte besser schützen, die Zusammenarbeit als Eltern verbessern und Ihr Kind bei der Beziehungsgestaltung zu beiden Eltern bewusst unterstützen können.
Quellen
Mehr zum Thema
Hier finden Sie Informationen zu Quellen der Inhalte dieser Seite.
Quellen
Birnbaum, R. (2017). Views of the Child Reports: Hearing Directly from Children Involved in Post-Separation Disputes. Social Inclusion, 5(3), 148–154. https://doi.org/10.17645/si.v5i3.922
Craig, B. S. (2014). Between Two Homes: A Coparenting Handbook. BTH Publications.
Dettenborn, H. & Walter, E. (2022). Familienrechtspsychologie (4., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage). UTB: Bd. 8232. UTB; Ernst Reinhardt Verlag. https://elibrary.utb.de/doi/book/10.36198/9783838588117 https://doi.org/10.36198/9783838588117
Kaltenborn, K.-F. (2001). Children's and young people's experiences in various residential arrangements: a longitudinal study to evaluate criteria for custody and residence decision making. British Journal of Social Work, 31(1), 81–117. https://doi.org/10.1093/bjsw/31.1.81
Parkinson, P. & Cashmore, J. (2008). The voice of a child in family law disputes. Oxford University Press. https://doi.org/10.1093/acprof:oso/9780199237791.001.0001
Zimmermann, J., Bovenschen, I. & Kindler, H. (2021). Berücksichtigung des Kindeswillens aus psychologischer Perspektive. Das Jugendamt, 94(7-8), 367–371.
Familienbeziehungen und Loyalitätskonflikte
Wie können die Beziehungen zu beiden Elternteilen erhalten werden?
Die meisten Kindern wünschen sich nach der Trennung weiterhin Kontakt zu beiden Elternteilen. Auf der folgenden Seite erhalten Sie Informationen dazu, wie Sie die Beziehung Ihrer Kinder zum anderen Elternteil fördern und die Entstehung von Loyalitätskonflikte vermeiden können.
MEHR ERFAHRENKinder über die Trennung informieren
Wie kann man mit Kindern über die Trennung sprechen?
Wenn die Eltern sich trennen, haben Kinder viele Fragen. Es ist wichtig, mit ihnen zu sprechen, wie es weitergeht. Erfahren Sie auf der folgenden Seite, wie man Gespräche mit den Kindern über die Trennung altersgemäß durchführen kann.
MEHR ERFAHRENKindeswohl & Kindeswille - rechtliche Informationen
Wie werden Kindeswohl und Kindeswillen bei Entscheidung für ein Betreuungsmodell berücksichtigt?
Auf der folgenden Seite erhalten Sie Informationen dazu, welche Rolle das Wohl und der Wille der gemeinsamen Kinder bei Entscheidungen der Eltern zum Betreuungsmodell spielen sollten und wie Familiengerichte diese Aspekte bei Entscheidungen zur elterlichen Sorge oder zum Umgang berücksichtigen.